Persönliche Erklärung zum Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“
Persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zum Abstimmungsverhalten zu TOP 2. a) über den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ und zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021 sowie zur Änderung weiterer Gesetze (Aufbauhilfegesetz 2021 – AufbhG 2021)
Die Starkregenkatastrophe im Juli 2021 hatte in einigen Regionen Deutschlands verheerende Auswirkungen. Insbesondere im Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz, aber auch in anderen Regionen Deutschlands sind viele Todesopfer und Verletzte zu beklagen. Professionelle und ehrenamtliche Helfer konnten oft die erste Not lindern, doch einige Regionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wurden durch die Überflutungen schwer zerstört. Es ist gut und richtig, dass sich der Bund an den notwendigen Hilfsleistungen für die Betroffenen und den Wiederaufbau der Regionen maßgeblich beteiligt. Aus diesem Grund werde ich, gemeinsam mit der gesamten Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag, dem vorliegenden Aufbauhilfegesetz (AufbhG) ausdrücklich zustimmen.
Bedauerlicherweise hat das Aufbauhilfegesetz jedoch nicht nur Hilfe für die von der Flut betroffenen Regionen zum Gegenstand. Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD hat darüber hinaus, im Rahmen eines sogenannten Omnibusverfahrens, mehrere Änderungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) an das Aufbauhilfegesetz angefügt. So wird mit den Artikeln 12 und 13 AufbhG im § 36 Absatz 10 IfSG eine Rechtsgrundlage für die bereits geltende allgemeine Einreisetestpflicht der Coronavirus-Einreiseverordnung geschaffen. Darüber hinaus wurde mit Hilfe eines Änderungsantrags zu § 28a IfSG die Sieben-Tage-Inzidenz als alleiniger Indikator zur Beurteilung des Infektionsgeschehens in der Corona-Pandemie ersetzt. Schließlich wurde in einem weiteren Änderungsantrag eine Befugnis für Arbeitgeber in Einrichtungen und Unternehmen nach § 36 Abs. 1 und 2 IfSG geschaffen, den Impf- bzw. Serostatus von Arbeitnehmern zu verarbeiten.
Während ich gemeinsam mit der gesamten Fraktion der Freien Demokraten die von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD vorgeschlagene Schaffung einer Rechtsgrundlage für die bereits geltende allgemeine Einreisetestpflicht der Coronavirus-Einreiseverordnung begrüße, weil damit die seit mehreren Wochen bestehende verfassungswidrige Situation beseitigt wird, lehne ich die weiteren Änderungen zum IfSG ab.
Die Fraktion der Freien Demokraten hat sich bereits seit langem für einen Kriterienmix als Maßstab zur Einführung und Aufrechterhaltung von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) als Alternative zur Betrachtung der reinen der Sieben-Tage-Inzidenz eingesetzt. So sollten gemäß unserer Vorschläge u. a. auch die Impfquote, die Intensivbettenauslastung, die Hospitalisierungsrate und die Positivtestquote berücksichtigt werden. Dieser Forderung kommen die Koalitionsfraktionen zwar nun teilweise nach, allerdings wurde in einem überhasteten Verfahren ohne angemessene parlamentarische Beteiligung eine Regelung vorgelegt, die für uns nicht zustimmungsfähig ist. So blieben zahlreiche Kriterien außer Acht, darüber hinaus wurde kein bundeseinheitlicher Bewertungsmaßstab mit klar definierten Kriterien festgelegt. Es droht daher erneut ein Flickenteppich von Maßnahmen, der für die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr verständlich ist.
Die in einem überarbeiteten und ergänzten Änderungsantrag eingebrachte Regelung zur Verarbeitung personenbezogener Daten des Impf- bzw. Serostatus von Arbeitnehmern in Kitas, Schulen, Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung behinderter Menschen, Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünfte u. ä. wurde nur wenige Stunden vor der abschließenden Beratung der Ausschüsse von den Koalitionsfraktionen eingebracht. Somit konnte keine inhaltliche Beratung oder gar Hinzuziehung von Sachverständigen im Rahmen einer öffentlichen Anhörung vorgenommen werden.
Die Zielsetzung der Änderung, dass zum Schutz besonders von einer Corona-Infektion gefährdeter Menschen in den entsprechenden Kitas, Schulen und Einrichtungen die Arbeitgeber nun entsprechende Auskünfte verlangen und Dienstpläne anpassen können, teile ich grundsätzlich. Denn für Kinder in Kitas und Schulen unter 12 Jahren gibt es noch keinen Impfstoff. Sie benötigen besonderen Schutz, ebenso wie Menschen in Behinderteneinrichtungen. Analog zu den Beschäftigten in medizinischen Einrichtungen erscheint die vorgeschlagene Neuregelung in der jetzigen Situation sachgerecht, auch um einen erneuten Bildungslockdown und die damit einhergehenden gravierenden physischen und psychischen Folgen zu verhindern. Die Ausgestaltung der Regelung und ihre konkrete Umsetzung konnte jedoch nicht ausführlich und transparent beraten werden, so dass ich auch diesem Punkt nicht zustimmen kann.
Regelungen zum Infektionsschutz erfordern schwierige Abwägungen und werden zurecht in der Öffentlichkeit mit besonderer Aufmerksamkeit und Sensibilität verfolgt. Für die notwendige Akzeptanz der Bestimmungen im Infektionsschutzgesetz ist nicht nur ein hohes Maß an Transparenz und möglichst breite zivilgesellschaftliche Partizipation, sondern mehr noch ein ordnungsmäßiges Gesetzgebungsverfahren entscheidend.
Vor diesem Hintergrund kritisiere ich ausdrücklich, dass die Regierungskoalition so weitreichende Änderungen des Infektionsschutzgesetzes in einem so schnellen und intransparenten Verfahren beschließen möchte und durch Verbindung dieser mit dem Aufbauhilfegesetz eine differenzierte Abstimmung, die dieser Kritik Rechnung trägt, unmöglich gemacht wird.