Plenardebatte zum Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung
Zur Plenardebatte für den GroKo-Gesetzesentwurf zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung erklärt Jens Brandenburg, Sprecher für LSBTI der FDP-Bundestagsfraktion:
„Ein gesetzliches Verbot medizinisch nicht erforderlicher Genitaloperationen an Kindern ist überfällig. Kein Kind soll operiert werden, nur damit es in eine männliche oder weibliche Schublade passt. Trotz heftiger Kritik in der Sachverständigenanhörung hat sich die Koalition geweigert, den Gesetzentwurf spürbar nachzubessern. Der Koalitionsentwurf schafft sehr komplizierte Verfahren und lässt doch viele Fragen offen. Der Interpretationsspielraum ist riesig und das Verbot lässt sich leicht umgehen. Einen in der Praxis wirksamen Schutz vor unnötigen Genitaloperationen bietet er intergeschlechtlichen Kindern nicht.
Das OP-Verbot muss alle Kinder schützen - nicht nur die, denen der behandelnde Arzt eine Variante der Geschlechtsentwicklung zuschreibt. Die geschlechtliche Selbstbestimmung der Kinder gehört in den Mittelpunkt, nicht die Bewahrung bisheriger Operationspraktiken. Wir brauchen eine qualifizierte Beratung für Eltern, Kinder, medizinisches Personal und die Familiengerichte. Die schmerzhafte Bougierung im Kindesalter muss endlich unterbunden werden. Nach einer großen Ankündigung im Koalitionsvertrag hat sich die SPD im Gesetzgebungsverfahren leider über den Tisch ziehen lassen. Eine neue Regierungsmehrheit muss in der nächsten Legislaturperiode unbedingt nachbessern, damit dieser Gesetzentwurf keine reine Symbolpolitik bleibt.“
Katrin Helling-Plahr, Expertin für Gesundheits- und Rechtspolitik und Mitglied Ausschuss für Gesundheit und im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, ergänzt:
„Das im Gesetz vorgesehene vereinfachte schriftliche Genehmigungsverfahren verkürzt massiv den Rechtsschutz zu Lasten der Kinder, an denen geschlechtsangleichende Behandlungen vorgenommen werden sollen. Angesichts der irreversiblen Folgen eines solchen Eingriffes darf allein das Vorliegen einer befürwortenden Stellungnahme der Kommission nicht dazu führen, dass Verfahrensbeistand, die Sachverständigengutachten, die mündliche Verhandlung, die persönliche Anhörung der Eltern und die Mitwirkung des Jugendamtes entbehrlich werden und eine hinreichende Prüfung der Entscheidungsfindung in der Kommission und der Besetzung der Kommission durch das Gericht unterbleibt.
Betroffene Personen, die von geschlechtsangleichenden Behandlungen erst im späteren Leben erfahren, werden von der Bundesregierung auch künftig allein gelassen. Der Gesetzentwurf schafft nicht ein unbedingt notwendig gewesenes bundesweites Zentralregister, das den betroffenen Personen die Recherche und den Zugang zu ihren Patientenakten auch nach Jahrzehnten noch erleichtert.“