Richtigstellung und Stellungnahme zum Selbstbestimmungsgesetz
In einem Beitrag zum Thema Transsexualität hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 29. Januar 2020 mehrere Falschbehauptungen über den Gesetzentwurf der Freien Demokraten für ein Selbstbestimmungsgesetz (BT-Drs. 19/20048) verbreitet. Mittlerweile wurde der Online-Beitrag korrigiert und im Print eine mit Lupe auffindbare Richtigstellung gedruckt.
Zu den Irritationen bezüglich des FAZ-Artikels und des FDP-Gesetzentwurfes meldet Jens Brandenburg, LSBTI-politischer Sprecher der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag:
„Der am 29. Januar in der FAZ erschienene Artikel ‚Die Überwindung des Fleisches‘ hat in der Ursprungsfassung mehrere unwahre Behauptungen über den Gesetzentwurf zur Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung (BT-Drs. 19/20048) der FDP-Bundestagsfraktion aufgestellt. Diese Falschbehauptungen wurden in der Onlinefassung inzwischen korrigiert und in der Printausgabe richtiggestellt. Dennoch nehme ich gerne dazu Stellung:
Zunächst behauptete der Artikel, Kinder ab 14 Jahren sollten sich ohne ärztliche Beratung und elterliche Einwilligung einem hormonellen Geschlechtswechsel unterziehen können. Das ist falsch. Mit Hormontherapien an Minderjährigen befasst sich der Gesetzentwurf an keiner Stelle und für operative Eingriffe wurde die Voraussetzung der elterlichen Einwilligung und einer ärztlichen Beratung ausdrücklich hervorgehoben. In einem weiteren Gesetzgebungsverfahren fordern wir übrigens, dass vor genitalverändernden Operationen an Kindern künftig genauer überprüft werden soll, ob diese Eingriffe wirklich medizinisch notwendig sind. Schon mit Blick auf die dauerhaften Folgen wäre alles andere nicht verantwortlich.
Außerdem wurde behauptet, Sanktionen von bis zu 2500 Euro würden verlangt, wenn sich jemand ohne diskreditierende Absicht auf den früheren Geschlechtseintrag beziehe. Auch das ist falsch. So sollen Behörden - wie schon bisher - nicht ohne besonderen Grund einen früheren Geschlechtseintrag offenbaren dürfen. Auch ein vorsätzliches Fremdouting mit dem klaren Ziel, einer anderen Person damit Schaden zuzufügen, wäre untersagt. Ein reines „Misgendern“ fällt aber ausdrücklich nicht darunter. Für viele Betroffene wirkt die Ansprache mit dem früheren Vornamen oder dem falschen Pronomen sicher verletzend. Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit ist das aber kein Fall für den Rechtsstaat.
Weiterhin suggeriert der Artikel, ein bisher rein biologisches Geschlechtsverständnis des Staates solle nun durch Beliebigkeit ersetzt werden. Auch das trifft nicht zu. Dazu folgende Einordnung:
1. Für den personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde sind bisher schon nicht rein biologische Geschlechtsmerkmale, sondern die subjektive geschlechtliche Identität entscheidend. Das hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach mit Verweis auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht bekräftigt. Die im Transsexuellengesetz genannten körperlichen Voraussetzungen für die Änderung des personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrags kommen seit vielen Jahren nicht zur Anwendung, da sie mit dem Grundgesetz unvereinbar sind.
2. Wenn eine transgeschlechtliche Person - also eine Person, deren geschlechtliche Identität nicht mit ihrem bisher zugeschriebenen Geschlechtseintrag übereinstimmt - ihren Geschlechtseintrag korrigieren lassen will, muss sie sich dafür zwei langwierigen Gutachten und einem amtsgerichtlichen Verfahren unterwerfen. Mit intimsten Fragen zur Unterwäsche, sexuellen Präferenzen und Masturbationsverhalten werden die Betroffenen gegängelt und unter Generalverdacht gestellt. Das Verfahren ist demütigend, kostenintensiv und unnötig: In über 99 Prozent der Fälle kommen die Gutachten ohnehin zu einem positiven Ergebnis. Wir Freie Demokraten wollen diese bürokratische Prozedur durch eine Selbstauskunft ersetzen. Bei begründeten Zweifeln am Wahrheitsgehalt der Angabe bleibt im Einzelfall selbstverständlich die Überprüfung durch ein unabhängiges Gericht möglich. Das rechtfertigt aber nicht den bisherigen Generalverdacht gegen alle.
3. Zahlreiche Länder weltweit haben bereits auf vergleichbare Verfahren umgestellt. Oftmals geäußerte Befürchtungen zu Mehrfach-Wechseln oder Falschangaben haben sich dort nicht bestätigt. Der Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde ist auch kein Automatismus für einen ungehinderten Zugang zu besonderen Schutzräumen wie z. B. Frauenhäusern. Neben der oben genannten Möglichkeit zur Überprüfung von Falschangaben gelten natürlich auch weiterhin das Hausrecht und rechtliche Schutzpflichten. In den sozialen Medien kursieren zu diesen Themen zahlreiche Falschmeldungen. Sie verkennen, dass viele transgeschlechtliche Menschen solche Einrichtungen schon zum Eigenschutz vor einer massiven sozialen Unterdrückung meiden. Auch in Gefängnissen erfolgt oft schon zum Schutz der Betroffenen eine Einzelunterbringung.
4. Regeln zur Teilnahme an sportlichen Wettbewerben werden nicht vom Deutschen Bundestag, sondern von den Sportverbänden selbst getroffen. So hat das Internationale Olympische Komitee bereits 2015 neue Richtlinien für transgeschlechtliche Athlet/innen erlassen, die für die Teilnahme an Frauenwettbewerben u. a. einen dauerhaft niedrigen Testosteronspiegel voraussetzen. Die aktuelle Forschung zeigt, dass sich anfängliche Leistungsunterschiede bald nach Beginn einer Hormontherapie angleichen. An den bisherigen Regeln der Sportverbände ändert unser Gesetzentwurf nichts.
Mit dem Gesetzentwurf zur Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung hat die FDP-Fraktion einen bürokratiearmen Vorschlag unterbreitet, der eine unnötige Gängelung transgeschlechtlicher Menschen beendet und gleichzeitig die Verhältnismäßigkeit wahrt. Mit einem ungewohnt einseitigen und schlecht recherchierten Artikel ist die FAZ leider der Erzählung einer kleinen Aktivistengruppe auf den Leim gegangen. Wir Freie Demokraten werden jedenfalls weder das Geschlecht abschaffen, noch ein beliebiges Herumoperieren an Minderjährigen legalisieren.“
Hier geht es zum Gesetzentwurf der Freien Demokraten: