Wie können wir das gemeinsam schaffen?
Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Rhein-Neckar stellen sich Fragen von mittelständischen Unternehmern
Geld allein reicht nicht aus, um die deutsche Wirtschaft weiter zu stärken - das war eine der vielen gemeinsamen Erkenntnisse beim „Runden Tisch Wirtschaft-Politik“ in Sinsheim in den Räumen der Firma Haug Chemie. Geschäftsführer Andreas Stumpe hatte Unternehmerinnen und Unternehmer vorrangig aus der Region, aber auch darüber hinaus, und die hiesigen Bundestagsabgeordneten zu einem gemeinsamen Austausch eingeladen. Gekommen waren der SPD-Abgeordnete Lars Castellucci, der CDU-Abgeordnete Moritz Oppelt, der FDP-Abgeordnete Jens Brandenburg und der kürzlich nachgerückte Grünen-Abgeordnete Jürgen Kretz. Ebenso anwesend war der scheidende Oberbürgermeister der Stadt Sinsheim, Jörg Albrecht. In dem Format ging es um die aktuellen Probleme und Herausforderungen der Unternehmen und die Suche nach gemeinsamen Lösungsansätzen.
Dass es unterschiedliche Positionen der einzelnen Abgeordneten zu den jeweiligen Punkten gab, wurde im Laufe des Gesprächs deutlich. Einig war man sich jedoch darüber, dass man eine riesige Aufgabe vor sich habe, um einem Abwandern der Wirtschaft und der damit verbundenen Gefahr einer schleichenden Erosion der Demokratie entgegenzuwirken. Neben dem Mangel an Arbeitskräften und den hohen Energiekosten wurde vor allem eine immer weiter ausufernde Bürokratie von den meisten anwesenden Unternehmen nachdrücklich als eine der größten Belastungen identifiziert. Es gäbe immer mehr Gesetze und Richtlinien, die umgesetzt werden müssten. Das koste die Unternehmen zu viele Ressourcen, die man eigentlich an anderer Stelle bräuchte. Stumpe nannte als Beispiel die 18 Beauftragten seines Unternehmens oder die langwierigen und teuren Gutachten, die für Investitionsprojekte und Sanierungen nötig seien und bei denen man immer wieder an die bürokratischen Grenzen stoße.
Brandenburg verwies in diesem Zusammenhang auf das aktuell durch die Bundesregierung vorgelegte Bürokratieentlastungsgesetz. „Es ist das bisher größte Bürokratieabbaupaket in der Geschichte der Bundesrepublik. Damit senken wir den Bürokratiebelastungsindex auf ein Allzeittief. Unter dem Strich bauen wir gerade Bürokratie ab, nicht auf“, erklärte der Liberale. Das sei ein wichtiger erster Schritt, dem nun weitere folgen müssten, um die Wirtschaft zu entfesseln. Für eine spürbare Entlastung müsse auch auf europäischer Ebene endlich ein Umdenken in der Kommission stattfinden.
„Die Bundesregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz hat umfangreiche Maßnahmen umgesetzt, um die Stärke der deutschen Wirtschaft zu erhalten und auszubauen. Für ein neues Deutschland-Tempo wurden Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt und bürokratische Hürden für Investitionen in Deutschland abgebaut. Wir haben dafür gesorgt, dass Milliardeninvestitionen und Neuansiedlungen in Zukunftsbranchen stattfinden. Mit Rekordinvestitionen von über 100 Milliarden Euro zu einem Großteil in unsere Infrastruktur wird der jahrelange öffentliche Investitionsstau angegangen. Mit der stärkeren Förderung von Qualifizierung und Weiterbildung sowie mit einem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz werden dringend benötigte Fachkräfte im In- und Ausland gewonnen“, ergänzte Castellucci.
Der Grüne Jürgen Kretz stellte heraus, dass die Bundesregierung durch das Wachstumschancengesetz die Wirtschaft um ca. 1 Mrd. Euro im Jahr 2024 entlastet habe. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, werde es künftig keine Arbeitsverbote mehr für Zugewanderte geben. Im Zuge des Klimaschutzes und der Energiewende sei es aber auch klar, dass sich die Wirtschaft in einem grundlegenden Wandel befinde, der Herausforderungen sich mitbringe. Wirtschaftsminister Habeck habe dabei die Bedürfnisse der Wirtschaft im Blick, um wirtschaftliche Anreize zu setzen und Bürokratie zu verringern.
Als Vertreter der Opposition sah der CDU-Abgeordnete Oppelt vor allem die Ampelregierung in der Verantwortung, gegenzusteuern. Die deutsche Wirtschaft befinde sich seit einiger Zeit leider in einer größtenteils hausgemachten Wirtschaftskrise. „Fehlanreize beim Bürgergeld, Abschalten der drei am Netz verbliebenen Kernkraftwerke in der größten Energiekrise, Heizungsgesetz, Erhöhung der LKW-Maut und der Netzentgelte, eine überbordende Bürokratie sowie eine fehlgeleitete Migrationspolitik schaffen Unsicherheit in Wirtschaft und Gesellschaft. Was wir aber gerade mitten in einer anhaltenden Wirtschaftskrise brauchen, sind verlässliche und stabile Rahmenbedingungen, die Vertrauen und Zuversicht für unsere heimischen Betriebe schaffen. Hierfür hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor der parlamentarischen Sommerpause ein Sofortprogramm für Wirtschaftswachstum in den Deutschen Bundestag eingebracht, das konkrete Maßnahmen für eine Wirtschafts- und Wachstumswende vorsieht“, führte er aus.
Auf die Frage, was angesichts der derzeitigen Hürden überhaupt noch dafürspreche, als Unternehmen in Deutschland zu bleiben und nicht ins Ausland zu gehen, waren sich die Abgeordneten einig: Ein funktionierender Rechtsstaat, innere und äußere Sicherheit, das hohes Ausbildungsniveau und die hohe Qualität der Fachkräfte machen Deutschland auch weiterhin im internationalen Vergleich zu einem attraktiven Unternehmensstandort.
Die Kritik einiger Unternehmer, dass Politikerinnen und Politiker die Probleme der Unternehmen nicht kennen würden, weil man in Berlin zu weit weg sei, wollten die vier Abgeordneten jedoch nicht so stehen lassen. Alle vier Bundestagsabgeordneten bekräftigten, zwischen den Sitzungswochen bei vielen Terminen im Wahlkreis in den Unternehmen vor Ort zu sein. Man nehme aus Gesprächen wie diesem die Anliegen mit nach Berlin und versuche, diesen dort auch Rechnung zu tragen. Nicht jedes Problem könne jedoch allein von Berlin aus gelöst werden. Man werbe auch dafür, dass sich die Unternehmen aktiv in den politischen Diskurs einbringen und ihre Anliegen klar und deutlich formulieren sollen, wie dies mit diesem Gespräch auch geschehen würde. Auch eine Einladung nach Berlin in Richtung der Unternehmen wurde ausgesprochen: „Kommen Sie gerne auch mal zu uns in den Bundestag und schauen dort hinter die Kulissen.“
Im Gegenzug sprachen die Unternehmer die Einladung an die Politiker aus, sich bei den anwesenden mittelständischen Unternehmen in Besuchen über einen längeren Zeitraum mal genauer anzuschauen, wie denn die praktischen Auswirkungen der vielen in den letzten Jahren eingeführten Gesetze in der Realität eines mittelständischen Unternehmens aussehen und welche Rahmenbedingungen das Wirtschaftswachstum derzeit wirklich behindern.
Nach zwei Stunden intensivem Austausch, wurde deutlich, dass Wirtschaft und Politik wieder enger zusammenarbeiten müssen, um positive Ergebnisse zu erzielen. Das gemeinsame Problembewusstsein, etwas verändern zu müssen und die Bereitschaft, sachorientiert an Lösungen zu arbeiten, ist vorhanden. Für weitere konkrete Schritte werde man gerne im engen Austausch bleiben. Auch eine Fortsetzung des Formats könnten sich alle Beteiligten vorstellen.